Donnerstag, 25. Juni 2009
Blood, Tea & Red String
Blood, Tea & Red String

Blood, Tea & Red String

USA 2006
R: Christiane Cegavske
70 Min., Cinema Epoche

Es gibt Filme, die man sofort ins Herz schließt. Nicht so sehr, weil sie besonders liebenswerte oder anrührende Geschichten erzählen, sondern weil man ihnen die ganze Mühe und das ganze Herzblut ansieht, die ihr Erschaffer ihnen gewidmet hat. Eraserhead (David Lynch, USA 1977) ist so einer, sowie Wenzel Storchs Sommer der Liebe (D 1992) und natürlich dessen opus magnum Die Reise ins Glück (D 2005). In gewisser Hinsicht gehören auch die Arbeiten des frühen Peter Jackson - insbesondere Meet the Feebles (NZL 1989) - in diese Reihe, auch wenn Jackson bekanntermaßen bereits ab seinem zweiten Spielfilm auf ein vergleichsweise komfortables Budget zurückgreifen konnte.

All diesen Filmen ist gemein, dass sie unter widrigsten Umständen und mit minimalstem Budget entstanden sind und in jeder Filmminute augenscheinlich wird, dass es einzig und allein der Beharrlichkeit ihrer Erschaffer zu verdanken ist, dass diese Kleinode der Filmgeschichte überhaupt zu Ende gebracht werden konnten. Filme, die gemacht werden müssen, ganz gleich, ob sie einen sogenannten 'Markt' haben, sich 'rechnen' oder 'floppen'. Diese Kategorien zählen bei dieser Sorte Film nicht, sie sind angesichts der wahren und erhabenen Größe solcher Filme als Kriterien geradezu lächerlich. Kino, das man nicht in Geld umrechnen kann - obgleich man es seinen Erschaffern so sehr wünschen würde, dass ihre Filme ihnen wenigstens ein komfortables Überleben sichern. Bei David Lynch hat das ja schon mal einigermaßen geklappt, von Peter Jackson wollen wir lieber gar nicht erst reden. Er ist zumindest der schlagende Beweis dafür, wie ungünstig sich ein wachsendes Budget auf die Qualität des Endproduktes auswirken kann...

Dieser mein persönlicher Olymp des Liebhaber-Cinemas hat Zuwachs bekommen. Und ginge es allein um die Zahl der Jahre, die ein Künstler in sein Kunstwerk investiert, dieser Film würde ohne Umschweife auf Platz eins stehen, denn Christiane Cegavske hat sage und schreibe dreizehn (!) Jahre ihres Lebens investiert, um uns ein 70 Minuten dauerndes Traumgebilde in Stop-Motion Technik zu kredenzen, dass sie samt und sonders allein erdacht, gebastelt, genäht, gemalt, gedreht und geschnitten hat. Abgesehen von der feinen und sehr fragil wirkende Filmusik alles allein. Dreizehn Jahre lang. In Stop-Motion. Wie sehr muss man (s)einen Film lieben, um das durchzustehen? Eine schier unglaubliche Leistung.

Blood, Tea & Red String erzählt die seltsame Geschichte einer Familie eigenartiger Schnabelwesen mit Fell und Schweineohren, die unter einem Baum leben und sich durch eine Art liebenswürdiges Krähen verständigen (im ganzen Film wird kein einziges Wort gesprochen). Eines Tages werden sie von rotäugigen Ratten oder Mäusen mit aristokratischem Gebahren zum Bau einer menschenähnlichen Puppe angehalten, die sie nach Fertigstellung aber nicht herausrücken möchten, auch dann nicht, als die Ratten den vereinbarten Preis erheblich erhöhen. Den Ratten aber ist an dieser Puppe derart gelegen, dass sie selbige bald darauf entführen. Aber auch den eigenartigen Schnabelwesen ist diese Puppe sehr ans Herz gewachsen, so sehr, dass sie sich unverzüglich mit einer Delegation aufmachen, die Puppe aus den Händen der Ratten zu befreien. Was dann folgt, ist eine merkwürdig symbolstarke, teilweise leicht psychedelische und immer höchst eigenartig anmutende Reise durch ein seltsames Land, an deren Ende etwas steht, von dem ich gar nicht so genau weiß, ob es ein Happy-End ist; jedenfalls sehen die Schnabelwesen, die man sofort lieb hat, dabei nicht wirklich unglücklich aus.

Der Film ist dabei voller Symbole, die man nicht ohne weiteres entschlüsseln kann, aber, glaube ich, auch gar nicht entschlüsseln muss. Es genügt schon, einfach nur zu staunen über die eigenartige Welt, die sich da vor einem auftut. Darin ähnelt Blood, Tea & Red String äußerst stark den Filmen des großen David Lynch und an manchen Stellen wird Lynch auch ganz konkret zitiert. Was bei Lynch aber leicht Angst macht, löst hier bestenfalls ein leichtes Befremden aus, schlechte Träume macht dieser Film bestimmt nicht. Neben Lynch fühlte ich mich, vor allem wegen des Puppenmotivs, auch an den Sandmann E.T.A. Hoffmanns erinnert; auch dieser Vergleich wird an manchen Stellen geradezu zwingend - allerdings fehlt Bood, Tea & Red String jegliche Düsternis. Ein leichter bzw. leichtverdaulicher Film ist er dennoch nicht, gerade die üppig verwendete Metaphorik des Belebten im Unbelebten, der Verpuppung und (Wieder-)Geburt ist einigermaßen verstörend, zumal der Film keine Interpretationen und keine Erläuterungen anbietet und den Betrachter - höchstabsichtlich und in jeder Hinsicht - im Unklaren lässt.

Was soll ich sagen. Im Grunde fehlen mir die Worte. Kaufen, ansehen, auf die Knie sinken. Ein extrem seltsamer, extrem guter, extrem schöner, extrem liebenswerter Film. Leider ist er äußerst schwer zu bekommen aber das ist mit außergewöhnlichen Filmen nun einmal so.

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