Freitag, 19. Juni 2009
Michael Buble: Das kanadische Überraschungsei
Eigenartiges trug sich zu, als ich letzte Nacht noch schnell einige Stücke für ein Doppelkonzert am kommenden Wochenende 'herausgehört', soll heißen: schlampig transkribiert habe.

Als mein Blick auf das noch ausstehende Stück 'Everything' fiel, dachte ich noch nichts Böses; als ich den Titel anspielte, war das Erschrecken schnell und groß. Der unsägliche Bublé, der, der mit seichtester Unterhaltungsmusik einen unglaublichen Reibach macht, der seinen Durchbruch als - sic! - Sänger auf einer Hochzeit hatte, den man immer und überall spielen kann und niemandem tut's weh.

Der allerdings, das musste ich immer zugeben, Seichtheit zuweilen in eine durchaus erstaunliche musikalische Komplexität packen kann, zumindest gemessen am Maßstab kommerzieller Unterhaltungsmusik, der hinterhältige Rhythmen und rasante Unisono-Läufe dorthin streut, wo man sie am wenigsten vermutet und dessen Aufnahmen, darin ähnelt er dem großartigen Bert Kämpfert (der natürlich in einer ganz anderen Liga spielt bzw. gespielt hat bzw. hat spielen lassen), verdammt gut klingen.

Es dauert ein Weilchen, so eine Bublé-Nummer herauszuhören, und der Lohn ist gering, denn gespielt wird sie dann mit irgend einer Gala-Band, irgend wo, wo es garantiert keinen interessiert, was man da eigentlich genau spielt.

Was dann geschah, war seltsam. Denn nach wenigen Takten lösten sich meine angespannten Schultern (ich versuchte, den Bass umgehängt, mit der rechten Hand eine grobe Struktur auf das Notenpapier zu kritzeln), ich legte den Stift beiseite, lehnte mich zurück und, ja, ich genoss. Wirklich und aufrichtig. Zwar war der Text kitschig und die Modulation vorhersehbar, wenn auch raffiniert (von D nach Amaj9 - in Wahrheit wird das Ganze nur einen Ganzton nach oben verschoben, das hört sich aber viel komplexer an), aber das Ganze war so artig gemacht, klang so lieb und aufrichtig, dass ich, zumindest für einen Moment, den Herrn Bublé einfach nur gern haben musste. Erstaunlich.

Die gute Laune normalisierte sich wieder, denn an der Nummer habe ich noch ein ganzes Weilchen gesessen. Und am Wochenende wird sie wieder niemandem auffallen. Wie immer.